Ca. 100 Personen protestierten am 10. Mai 2020 vor den Wiener Messehallen in Solidarität mit den mehr als 300 geflüchteten Menschen, die aktuell dort in geschlossener Quarantäne festgehalten werden, da sie mögliche CoVid 19 Kontaktpersonen sein könnten. Die meisten der Personen in den Messehallen wurden dorthin gebracht, nachdem sie vor einigen Tagen aus dem Lager für Asylwerber*innen in Wien Erdberg wegen dort aufgetretenen Covid-19-Infektionen evakuiert wurden.
Ein Grund für den Protest ist, dass die Geflüchteten, nachdem sie zuvor wochenlang trotz wiederholter Warnungen im Massenlager Erdberg bleiben mussten, bis sich dort tatsächlich Menschen mit Coronaviren infizierten, sie nun in den Messehallen weiterhin einem massiven Gesundheitsrisiko ausgesetzt bleiben. Wenn hunderte von Menschen Tag und Nacht in einer Halle untergebracht sind und in langen Schlangen um Essen anstehen müssen, ist es praktisch unmöglich, Sicherheitsabstände einzuhalten und sich vor einer möglichen Infektion zu schützen. Außerdem berichten Geflüchtete von in vielerlei Hinsicht unwürdigen Bedingungen, wie unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten, Unmöglichkeit zu Schlafen und generell extremer psychischer Belastung durch den Einschluss in einem solchen Massenquartier. Gegen diese Zustände haben die Bewohner*innen der Messehalle in den vergangenen Tagen bereits selbst auf dem Gelände protestiert und sich immer wieder an die Öffentlichkeit und an die Medien gewendet. Seitens der Leitung des Quarantäne-Lagers, das unter Verantwortung des Krisenstabes der Stadt Wien steht und vom SPÖ-nahen Samariterbund betrieben wird, wurde versucht, eigene Öffentlichkeitsarbeit seitens der Geflüchteten zu unterbinden, indem ihnen per Aushang verboten wurde, zu filmen und zu fotografieren und auf Social Media Berichte über ihre Situation zu veröffentlichen. Bei der Kundgebung gab es solidarische Worte verschiedener Gruppen, u.a. von der Initiative gegen Rückkehrzentren und der Initative Sommerpaket. Ein Bewohner des Erstaufnahmelagers Traiskirchen, wo hunderte Menschen über einen Monat lang bis Ende April in Corona-Quarantäne eingeschlossen waren und ein Bewohner vor kurzem an einer Covid-19-Infektion verstarb, sprach auf der Kundgebung, ein anderer hatte einen Bericht in Form einer Audiobotschaft geschickt. Einer der Eingeschlossenen aus der Messehalle sprach über Telefon-Direktschaltung in eindringlichen Worten zu den Kundgebungsteilnehmer*innen: "(...) Warum? Weil der Asylwerber in Österreich einfach Null ist. Er ist einfach Null. Es tut mir leid, soetwas zu sagen. Aber in einem demokratischen Land, wo föderalisch ist, sollten wir sowas nicht erleben. Österreich ist voll schön und wunderbar. Aber gibt es Menschen, die machen es häßlich. Und die wollen nicht, dass die Menschen hier noch leben. Gibt es viele Menschen, die das nicht wollen. Die Bevölkerung will das schon, die Bevölkerung will das sehen. Aber die Regierung will das nicht. Es tut mir leid, soetwas zu sagen, das geht mich am Ende nichts an. Ich lebe hier in Österreich, ja, ich weiß, was meine Rechte sind. Aber: Flüchtlinge sind Menschen. Wenn wir auch neben eure Kinder sitzen, wir sind auch Menschen, wir möchten auch die Gleiche. Und wieder nocheinmal: Danke für eure Hilfe, danke für eure Unterstützung, wir freuen uns auch so, dass ihr da seid, dass ihr wegen uns protestiert, und ich sage es auch: Ich soll immer wieder Sie erinnern, dass die Afghaner davon leidet die Gleich, dass die Iraker auch davon leidet die Gleich, dass die Iraner auch davon leidet die Gleich, die Pakistaner, die Palästinenser, alle leidet davon, jeder Asylwerber, die Tschetschene, alle leidet davon, Nigeria, Afrika, alle." Parallel zur Kundgebung vor der Messehalle hatten sich auch drinnen auf dem Gelände einige der Geflüchteten zum Protest am Zaun versammelt. Bedauerlicherweise ließ es die Polizei nicht zu, die Kundgebung aus gegebenem Anlass an den Zaun zu verlegen, da eine solche direkte Kontaktaufnahme zwischen den Protestierenden drinnen und draußen explizit nicht erwünscht war. Nachdem die Kundgebung durch den Sänger Hans Breuer mit den Liedern #leavenoonebehind und Bella Ciao beendet wurde statteten noch einige solidarische Menschen auf dem Nachhauseweg den Menschen in der Messehalle einen Besuch am Zaun ab. Die Forderungen des Protests waren klar und deutlich: Da Lager krank machen und an sich eine menschenunwürdige Form der Unterbringung sind, müssen sie geschlossen werden. Geflüchteten Menschen müssen Wohnungen statt Lagern zur Verfügung gestellt werden. Statt repressiver Einschlussmaßnahmen braucht es ein Recht auf Gesundheit und menschenwürdiges Wohnen für Alle. Massenlager wie in den Messehallen oder auch in Wien Erdberg oder in Traiskirchen gehören in diesem Sinne umgehend geschlossen. Und noch eine Information erreichte uns am Tag der Kundgebung: Angeblich planen die Behörden, nach Beendigung der Quarantäne in der Messehalle die Menschen wieder zurück in das Massenlager in Wien Erdberg zu verlegen - genau dorthin, wo sich bereits an die 20 Menschen mit Coronaviren infiziert haben. Die einzig akzeptable Konsequenz daraus muss sein: Erdberg muss geschlossen bleiben! Die Stadt Wien ist in der Pflicht, andere angemessene und menschenwürdige Formen der Unterbringung für die Geflüchteten zu ermöglichen. Leerstehende Wohnungen und auch in Zeiten von Corona ungenutzte Hotels und Beherbergungsbetriebe gibt es genug. Comments are closed.
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